EDSA-Stellungnahme zu „Pay or Consent“: fragwürdig, übergriffig und einseitig

Pressemitteilung, 18.04.2024

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat am 17. April 2024 seine Stellungnahme zu „Pay or Consent“-Modellen auf „Large Online Platforms“ veröffentlicht. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. kritisiert die darin enthaltenen Entscheidungen scharf und fordert den Ausschuss auf, seine definierten Zuständigkeiten zu beachten, die daraus resultierenden Rechtsunsicherheit durch unscharfe Formulierungen zu beseitigen und Eingriffe in die Privatautonomie der Unternehmen zu unterlassen.

Der Europäische Datenschutzausschuss handelt auf Basis der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Eine Kompetenz für die Bewertung von Geschäftsmodellen und Preisgestaltungen sowie die dazu nötige Sachkunde ist in diesem Gremium aus Sicht der Digitalen Wirtschaft nicht vorhanden. „Der EDSA betreibt mit seiner Stellungnahme jedoch letztlich eine Preisregulierung über den Weg des Datenschutzes und greift damit aktiv in die Privatautonomie der Unternehmen ein. Dies ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar“, unterstreicht Philipp Hagen, Director Legal Affairs und Data Privacy beim BVDW.

Gleichzeitig besteht aus Sicht des BVDW keine rechtliche Grundlage für den EDSA, eine Differenzierung zwischen „Large Online Platforms“ und weiteren Anbietern vorzunehmen. Auf diesen Widerspruch weist der EDSA sogar selbst hin. Dabei bleibt der Ausschuss in der Definition so vage, dass daraus erhebliche Rechtsunsicherheit resultiert. Dies steht auch im Kontrast zu bestehenden Unionsrecht wie dem Digital Services Act (DSA), in dem Online Platforms und Very Large Online Platforms (VLOP) definiert werden. Insbesondere, wenn am Ende immer eine Einzelfallentscheidung stehen soll, ginge es nach dem EDSA.

 Spill-Over-Effekt auf gesamte Digitale Wirtschaft

Mit der veröffentlichten Stellungnahme öffnet der EDSA Tür und Tor dafür, einerseits den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz komplett außer Acht zu lassen und andererseits die Medienvielfalt erheblich einzuschränken. Auch wenn sich die Stellungnahme nur auf „Large Online Platforms“ bezieht, macht der EDSA aufgrund der unklaren Definition diese Position de facto auf alle Marktteilnehmer übertragbar. Anders lassen sich Formulierungen wie “[…] it should be recalled that the concept of consent in the GDPR applies to any controller seeking to rely on this legal basis“ kaum interpretieren.

„In unserer Rechtsordnung muss es jedem Anbieter grundsätzlich freistehen, selbst darüber zu entscheiden, wie er seine Leistungen anbieten möchte. Mit ‘Pay or Consent’-Modellen finanzieren zahlreiche Marktteilnehmer unabhängigen Journalismus. Dieser ist insbesondere im Superwahljahr 2024 und mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 mehr denn je wichtig für unsere Gesellschaft und Demokratie. Die EDSA-Positionierung gefährdet genau das“, hebt Dr. Moritz Holzgraefe, Vize-Präsident des BVDW, hervor.

Vorstellung von Einwilligung komplett überdehnt

Die Ausführungen in der veröffentlichten Stellungnahme des EDSA überdehnen die Fragestellungen zur Einwilligung insgesamt. „Pay or Consent“-Modelle erweitern die Entscheidungsfreiheit und schränken sie nicht ein. „Die Argumentation, dass durch die erforderliche Entscheidung, Datenschutz zu einem ‘Feature’ werde, entbehrt jeglicher Grundlage. In beiden Konstellationen gelten die Rechte der Nutzer*innen“, unterstreicht Hagen.

Mit der Forderung nach einer dritten Option schießt der Ausschuss weit über das Ziel hinaus. „Leistungen von Unternehmen werden in einer sozialen Marktwirtschaft gegen Entgelt angeboten. Diese Refinanzierung der Angebote erfolgt in diesem Fall über direkte Zahlungen oder eine Querfinanzierung durch Werbetreibende. Vor diese Wahl und die damit zusammenhängende Datennutzung werden die Nutzerinnern und Nutzer gestellt. Forderungen darüber hinaus greifen unmittelbar in das Geschäftsmodell ein, ohne dass die DSGVO dafür eine hinreichende Grundlage böte“, betont Holzgraefe.

Klarer Bruch mit Datenstrategien der EU und der Bundesregierung

Laut EDSA sind Daten keine „Commodity“ mehr. Dies impliziert eine Ablehnung der Datennutzung und steht somit im klaren Widerspruch zur Datenstrategie der EU – insbesondere unter Berücksichtigung des Data Acts und des European Health Data Space. Auch für die Datenstrategie der Bundesregierung bedeutet die Entscheidung des EDSA einen Schlag ins Gesicht, sollen Datennutzung und Datenschutz doch in eine beständige und sorgfältige Balance gebracht werden. „Der EDSA gefährdet mit seiner Entscheidung die Wettbewerbsfähigkeit in der EU in einer äußerst kritischen Phase. Richtig ist, dass Datenschutz nicht nur ein wichtiges Gut, sondern auch ein Grundrecht ist. Es existiert jedoch weder im Vakuum noch ist es eine Art ‘Supergrundrecht’. Deshalb muss es in Einklang mit anderen Grundrechten – wie der Privatautonomie – gebracht werden“, so Holzgraefe.

Den Schaden haben Endverbraucher*innen

Der EDSA unterstreicht mit seiner Stellungnahme das ihm oft unterstellte praxisferne Bild. Einerseits stellt er das Konzept des informierten Bürgers infrage und bescheinigt den Nutzer*innen, keine bewusste Entscheidung treffen zu können. Zum anderen nimmt er nur die einseitig vorgetragenen negativen Argumente von Aktivist*innen auf, die aus Sicht der Digitalen Wirtschaft und zahlreichen Studien diametral den Wünschen und Bedürfnissen der Nutzer*innen gegenüberstehen.

Dass die Stellungnahme nicht bei allen Datenschützern auf Zustimmung trifft, zeigt die Reaktion von Thomas Fuchs, Beauftragter für Datenschutz der Hansestadt Hamburg. Er hatte die Vorlage für die Entscheidung zu „Pay or Consent“-Modellen mit den Datenschutzaufsichtsbehörden aus den Niederlanden und Norwegen federführend erarbeitet. Gegenüber dem Tagesspiegel Background sagte er, die getroffene Entscheidung sei „nicht mehr seine“.

Kontakt

Philipp Hagen
Director Legal Affairs & Data Privacy
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Timo Weigl
Bereichsleiter Politik & Kommunikation
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